Dual Operating System – wenn klassische und agile Strukturen aufeinander treffen

Im ersten Moment war ich tatsächlich etwas unsicher, ob bei der Grafik oben Ironie am Werk ist oder nicht. Für diejenigen, die dasselbe Gefühl haben, hier die Aufklärung: Ja, das ist es.
Meine Erklärung, warum mir das so schwer fiel: In der Realität passiert genau das.

Wenn man von SAFe-Einführungen hört, wird oft betont, dass SAFe deshalb so gut geeignet ist, weil man „eine neue Ablauforganisation über die bestehende Aufbauorganisation legen kann„. Dies ist meines Erachtens eine klassische Fehlinterpretation der Idee des „Dual Operating System“.

Folgt man jedoch der Motivation des Scaled Agile Frameworks für das Dual Operating System, ist diese Interpretation durchaus naheliegend. Hier eine Zusammenfassung:

  1. Der Start: Eine Organisation startet als schnelles, anpassungsfähiges System, das um motivierte Individuen herum aufgebaut ist (z.B. Gründer und erste Mitarbeiter), wobei sich Rollen und Berichtsstrukturen gerne häufiger ändern mit dem Ziel, dem Kunden möglichst viel „Wert“ zu liefern. SAFe nennt dies ein „adaptives unternehmerisches Netzwerk von Menschen, die daran arbeiten, eine Gelegenheit zu nutzen“.
  2. Wachstum und Institutionalisierung: Wenn diese Organisation erfolgreich wächst, müssen diese Rollen und Reporting-Strukturen klarer werden. Es werden Positionen geschaffen, neue Leute eingestellt und Richtlinien eingeführt – eine klassische Hierarchie hat sich gebildet.
  3. Der Konflikt: Das ursprüngliche Ziel, dem Kunden „Wert“ zu liefern, verschwindet natürlich nicht. Das „Unternehmensnetzwerk“ existiert weiter – ob explizit in Prozessen so benannt oder implizit in Schattenprozessen gelebt. Problematisch für die Organisation wird es dann, wenn dieses Netzwerk (das ja eigentlich „nur“ Wert liefern will) von der Hierarchieebene ausgebremst wird.
    Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass sich die Organisation lieber mit sich selbst beschäftigt, als wirklich zu hinterfragen, „warum“ sie das gerade tut? Wo ist der Mehrwert? Das könnte ein Hinweis auf diesen Konflikt sein.

Genau an Punkt 3 befinden sich viele Organisationen im Rahmen der Digitalisierung. Der Markt ist schnelllebig und die Wertschöpfungsnetzwerke der Organisation müssen sich daran anpassen – aber das hierarchische System ist langsam. Der Konflikt entsteht.
SAFe setzt hier mit der Idee des „Dual Operating System“ an und weckt Assoziationen bei den Führungskräften: „Statt meine Organisation anzupassen, muss ich nur den aktiven Teil meiner Wertschöpfungskette auf SAFe ARTs umstellen – Problem gelöst!“.

Und damit sind wir beim Kern der Herausforderung. Es genügt nicht, eine SAFe-Organisation als zweites System einzuführen. Das hierarchische System muss sich zwingend auch ändern, sonst ist der Konflikt nicht gelöst. Sicherlich ist die Anpassung des hierarchischen Systems nicht so radikal. Beispielsweise sind Personalabteilungen nicht so stark von einer SAFe-Einführung betroffen wie eine Produktionsabteilung. Dennoch müssen beide Systeme betrachtet werden. Dies geschieht meiner Erfahrung nach in den Unternehmen wenig bis gar nicht. Was bleibt, ist der bittere Beigeschmack, warum dem Kunden nach einer SAFe-Einführung letztendlich nicht mehr Wert geliefert werden kann.

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