Brauchen wir eine grüne IT? Eine Meinung.

In der Zeit der Cyber-Gefahren, der Datenschutzgrundverordnung, der Sicherheits-Frameworks, der globalen Lieferkettenschwierigkeiten und der agilen Transformation erscheint Green IT als ein weiteres, Zeitgeist-getriebenes Buzzword, mit dem sich IT-Verantwortliche herumschlagen müssen. 

Braucht es das? Haben wir als IT-Fachleute nicht genug mit den anderen Themen um die Ohren? Müssen wir uns nicht auf andere, wichtigere Aufgaben konzentrieren? Verlieren wir mit diesem neuen Thema nicht weiter an Fokus?

Um hier gleich zu Beginn meine Meinung klar deutlich zu machen: ja, wir brauchen eine grüne IT und nein, wir müssen dieses Thema oben (vielleicht sogar ganz oben?) auf unsere Aufgabenlisten und unsere Agenda verschieben. 

Warum bin ich der Meinung?  Nun, im Laufe meiner beruflichen Karriere hat sich die Informations- und Kommunikationstechnik (kurz: IT) als ein (zwar wichtiges) Seitenthema in eines der Hauptthemen in der Wirtschaft entwickelt. Wo in den 90er Jahren die IT als notwendiges Übel, als Kostenfaktor und als Thema von Nerds in Nadelstreifen gesehen wurde, ist sie heute zu einem – wenn nicht dem – bestimmenden Faktor in den Wertschöpfungsketten geworden und entscheidet vielfach aufgrund der erzielbaren Effizienzsteigerungen, aufgrund der neu entstandenen über Erfolg und Misserfolg von Unternehmen. Und durch die Digitalisierung von Abläufen in staatlichen Verwaltungen und staatsnahen Versicherungen (Renten- und Krankenversicherung) ebenso durch mögliche Effizienzsteigerungen über den Erfolg und Misserfolg von Volkswirtschaften. Geschwindigkeit und Effizienz haben sich sowohl in der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand als Wettbewerbsvorteil etabliert. Dies sieht man unter anderem an dem Vergleich Dänemark / Deutschland: wo in Dänemark die Verwaltungsabläufe zu großen Teilen bereits digitalisiert sind, stagniert Deutschland bei der Digitalisierung und verliert damit zunehmend an wirtschaftlicher Dynamik.

Die zunehmende Nutzung von IT als Produktions- und Wettbewerbsfaktor hat dazu geführt, dass die Informationstechnik inzwischen in fast allen Prozessketten in Unternehmen zu finden ist. Diese weltweit zunehmende Nutzung hat dazu geführt, dass der Anteil der von der IT verbrauchten Ressourcen der Informationstechnik an den insgesamt verbrauchten Ressourcen seit dreißig Jahren massiv zugenommen hat. Hierunter fällt nicht nur der wahrscheinlich jedem eingängige Verbrauch von elektrischer Energie, sondern auch die nicht gerade ressourcenschonende Herstellung von IT-Geräten, die sich in Unternehmen finden. Da die Innovationszyklen der IT immer kürzer werden (auch getrieben durch die Hersteller selbst), wird die produktive Nutzungsdauer von Computern und Peripherie immer geringer – und der globale Ressourcenbedarf immer größer. Ein Auto kann man heute ohne weiteres 25 Jahre sinnvoll fahren – aber man stelle sich mal vor, heute einen Computer aus dem Jahr 1997 sinnvoll nutzen zu wollen.

Dazu kommt die explosive Nutzung von IT-Geräten und Infrastruktur im privaten Bereich: das iPhone wurde als erstes wirklich nutzbares Smartphone im Jahr 2007 eingeführt. Smartphones sind heute für viele Menschen von jung bis alt nicht mehr wegzudenken. Natürlich haben wir auch vor dem iPhone die damals üblichen Mobiltelefone benutzt. Aber die Nutzungsdauer ist explodiert – wer damals an einem Tag eine Stunde telefoniert hat, war schon ein Power User. Viele Menschen verbringen dahingegen heute vier, sechs oder acht Stunden vor und mit dem SmartPhone. Und der Strom- und Ressourcenverbrauch eines Smartphone ist ein vielfaches der damals üblichen, kleinen Mobiltelefone.

Für viele Menschen – gerade der jüngeren Generation – hat zudem das Internet einen zentralen Stellenwert in Freizeit und Informationsbeschaffung übernommen. Viele junge Menschen können mit dem Fernsehen, dem Broadcasting, nichts mehr anfangen und streamen fröhlich durch den Tag mit Netflix, AmazonPrime, DisneyPlus, Sky etc. – gar nicht zu sprechen von Youtube. Die unglaublichen Mengen von Daten, die Youtube inzwischen global verfügbar macht, müssen ja nicht nur quer über den Erdball „gestreamed“ werden (ich bitte um Verzeihung für diesen Anglizismus), sondern ja auch auf Festplatten und SSD redundant vorgehalten werden. Und jede Festplatte, jede SSD braucht Strom im Betrieb und Ressourcen bei der Herstellung.

Die massiv gestiegene Nutzung der IT im geschäftlichen und privaten Umfeld hat dazu geführt, dass der globale Carbon Footprint der Informationstechnik heute schon größer ist als das Doppelte des gesamten Flugverkehrs auf unserem Planeten. 

Wir haben einige aus unserer Sicht interessante Fakten zusammengestellt, die aus unserer Sicht dringenden Handlungsbedarf aufzeigen:

  • In den letzten 10 Jahren ist der Energiebedarf für Rechenzentren um 55 % gestiegen
  • Cloud Computing beansprucht fast die Hälfte des Energiebedarfs von Rechenzentren
  • Moderne Währungsformen wie die Kryptowährung Bitcoin sorgen für einen Anstieg des Energieverbrauchs. Das Erstellen neuer sogenannter Blöcke mittels Blockchain-Technologie zur Vermehrung der Kryptowährung verbraucht in einem Jahr so viel Energie wie ganz Dänemark.
  • Eine Suchanfrage bei Google braucht durchschnittlich so viel Strom, wie eine Energiesparlampe (4 Watt) in einer Stunde
  • eBay Auktion Pro Online Auktion auf eBay werden rund 18 Gramm CO2 freigesetzt.
  • Online-Spiel: Eine Virtuelle Identität in einem Online Spiel verbraucht jährlich so viel Strom, wie ein 1- Personenhaushalt
  • Wollte man die Emissionen für alle Google Suchanfragen eines Jahres durch das Pflanzen von Bäumen kompensieren, müsste man etwa 40 Millionen Bäume pflanzen.
  • Der gesamte Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) verursacht etwa 3,7 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit und damit mehr als doppelt so viel wie die zivile Luftfahrt.
  • Eine einzige Spam-Mail verursacht durchschnittlich Treibhausgas-Emissionen von 0,3 Gramm CO2
  • Der durchschnittliche Benutzer geschäftlicher E-Mails erzeugt im Zusammenhang mit E-Mails jedes Jahr 131 Kg CO2, wobei 22 Prozent dieser Menge auf Spam entfallen
  • 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott sind laut The Global E-Waste Monitor 2020 weltweit angefallen.
  • 41 Handys enthalten so viel Gold wie eine Tonne Gold-Erz. Weltweites Recycling liegt unter 5% 
  • 89 % der Unternehmen recyceln weniger als 10 % ihrer IT-Hardware.
  • Lediglich 6 % der Organisationen können in Sachen nachhaltiger IT als sehr ausgereift eingestuft werden 
  • Könnten alle deutschen Computeranwender energieeffiziente Desktop -PCs, Notebooks und Bildschirme kaufen, würden jährlich zwischen 5 und 7 Terawattstunden (TWh) Elektrizität eingespart. Das entspricht der Stromerzeugung von etwa zwei mittelgroßen Kohlekraftwerken
  • Ein E-Mail ist so umweltschädlich, wie die Herstellung einer Plastiktüte
  • Ein Server bedingt so viel CO2-Emission wie ein geländegängiges Sports Utility Vehicle (SUV) 
  • Die jährlich weltweit für Spam verbrauchte Energie beziffert sich auf 33 TWh. Das entspricht dem Stromverbrauch von 2,4 Millionen Haushalten in den USA, wobei der Ausstoß der Treibhausgase dem von 3,1 Millionen PKWs entspricht, die etwa 7,5 Milliarden Liter Benzin verbrauchen
  • Die Menge der übertragenen Daten hat sich weltweit seit 2014 mehr als verfünffacht.

Diese teilweise erschreckenden Fakten machen es aus meiner Sicht unumgänglich, die Informationstechnik so schnell wie möglich so CO2-neutral und umweltschonend wie möglich umzugestalten. Das betrifft sowohl die Nutzung als auch die Technik und die Prozesse.

Bekanntlich soll man ja zunächst vor seiner eigenen Haustüre kehren. Und da NOVEDAS ein IT-Management-Beratungsunternehmen ist, haben wir es uns auf unsere Fahnen geschrieben, in unserem Wirkungsumfeld, also bei uns selbst und unseren Kunden darauf hinzuwirken, dass die IT grüner wird. 

Dass das kein kleines Unterfangen ist, wissen wir und unsere Kunden schon heute. Konfuzius schreibt, dass selbst der längste Weg mit dem ersten Schritt beginnt. Und wenn man keine Karte, keinen Plan und keine Roadmap hat, kann dieser Weg durch Umwege auch unnötig lang werden. Deshalb haben wir eine Methodik entwickelt, mit der wir Unternehmen dabei unterstützen, die ersten Schritte zu gehen – und zwar mit ein wenig Erfahrung und Überlegung vorab – auch gleich in die richtige Richtung. Wir prüfen dabei mit dem für uns typischen Pragmatismus, wo man zuerst ansetzen sollte und was man besser erst einmal nicht anfasst. Wir haben Strukturen entwickelt, mit denen Unternehmen auf ihrem Weg zur grünen IT immer wieder prüfen können, ob sie auf noch dem richtigen Weg sind und dabei auf geänderte Bedingungen reagieren und ggf. die Richtung anpassen können.

In Folgebeiträgen werden wir das eine oder andere Thema in diesem Umfeld anreißen. Also: stay tuned…..

PS: Bzgl. vor der eigenen Haustür kehren: NOVEDAS-Berater nutzen in der Regel fast vollständig Recycling-fähige Laptops. Die Nutzungsdauer der Laptops bei NOVEDAS liegt inzwischen bei knapp fünf Jahren. Die bei NOVEDAS genutzten internen Server sind ebenfalls fast vollständig Recycling-fähig, die Nutzungsdauer beträgt im Mittel 6,5 Jahre bei einem durchschnittlichen Verbrauch von ca. 12 Watt pro Server (das ist weniger als die Beleuchtung in unserem Server-Raum)